
© Wolfgang Koehler
Nick
Wilder
Vita
Nick Wilder wurde 1952 als Klaus Wilder auf der Ostseeinsel Fehmarn geboren. Nach dem Abitur studierte er Holzwirtschaft und machte seinen Abschluss an der Universität Hamburg. Noch während seiner Studienzeit wurde Nick Wilder Weltmeister im Windsurfen und betrieb Surfläden in Dänemark und im US-Bundesstaat Florida. Mit 40 Jahren startete er 1992 sehr spät seine Schauspiel-Karriere in Hollywood. Nach vielen Rollen in amerikanischen Soaps kam für Wilder der Durchbruch in Roland Emmerichs Welterfolg Stargate. Es folgten Gastrollen in vielen US-Serien. In Deutschland begann seine Karriere mit der Rolle des Kapitäns Jan Fehrmann in der RTL Action-Serie S.O.S. Barracuda. Es folgten Gastrollen in vielen deutschen Serien. 14 Jahre lang verkörperte Nick die Werbefigur Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer Versicherung. 2010 holte Produzent Wolfgang Rademann Nick Wilder als den Schiffsarzt Doc Sander an Bord. 10 Jahre lang fuhr er zusammen mit seiner Ehefrau, der Südtiroler Schauspielerin Christine Mayn, auf dem Traumschiff um die Welt. Seine Lebenserfahrungen hat er in seiner Autobiografie „Das Leben ist wilder als man denkt“ niedergeschrieben. Er ist immer noch ein begeisterter Musiker, dreht weiterhin in den USA und Europa Filme. 2024 wird sein Traum Wirklichkeit: Bei den Karl May Festspielen in Bad Segeberg bekleidet Wilder in Winnetou II – Ribanna und Old Firehand die Rolle des Schurken Emery Forster. Nick ist ein waschechter Insulaner und liebt als Kosmopolit die Abenteuer auf den Weltmeeren. Er lebt mit seiner Frau in Montana (USA) und Bozen.

© Lutz Roessler
"Vaterliebe": Nick Wilders Roman mit bedrückender Aktualität
im Stern, 07. November 2025
Aufgewachsen auf Fehmarn - Nick Wilder arbeitet Beziehung zum Vater auf
Von Maike Wegner
Den ganzen Artikel auf Lübecker Nachrichten lesen ...

Nick Wilder kehrt mit neuem Roman auf seine Heimatinsel zurück
Von Nicola Krüger
Im November stehen zwei besondere Literaturveranstaltungen an: Der Schauspieler, Musiker und Autor Nick Wilder kehrt auf seine Heimatinsel zurück und präsentiert am 10. November (Montag) um 18.30 Uhr im Senator-Thomsen-Haus in Burg seinen neuen Roman "Vaterliebe". Wie die Stadt Fehmarn mitteilt, handelt es sich dabei nicht nur um eine Buchpremiere, sondern um eine Rückehr an die Wurzeln und eine literarische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Insel.
Den ganzen Artikel in der Kreiszeitung lesen ...

Stargast Nick Wilder liest im Theater Neu-Ulm
Viele kennen den Schauspieler etwa aus dem TV-„Traumschiff“. Bei der Lesung bewies er, wie facettenreich er ist.
Von Manuela Rapp
Neu-Ulm Da war also diese Sache mit dem Namen. Wilder? Ok, das lässt sich auch im Englischen gut aussprechen. Aber Klaus? Ein No-Go für den Mann von der Künstler-agentur in Los Angeles. Wie wäre es denn mit Nick in Anlehnung an einen Altvorderen in der Familie? Und so kam der Schauspieler Nick Wilder innerhalb von drei Minuten zu seinem Künstlernamen. Damit war die erste Hürde für seine internationale Karriere genommen. Denn: „Mit 40 Jahren wollte ich mir meinen Traum vom Schauspieler verwirklichen“, sagte Wilder jetzt im Theater Neu-Ulm.
Mit seinem Alter-Ego als „Herr Kaiser“, die Personifizierung des wohl bekanntesten deutschen Versicherungsvertreters, den er 14 Jahre lang im Auftrag der Hamburg-Mannheimer Versicherung verkörperte, ist der 71-jährige vielen geläufig. Oder als freundlicher Bordarzt Dr. Wolf Sander, der sich auf dem TV-„Traumschiff“ von 2011 bis 2020 um Wehwehchen seiner Passagiere kümmerte.
„Sie dürfen sich auf etwas freuen und auf etwas gefasst machen“, führte Impresario Heinz Koch seinen langjährigen künstlerischen Freund ein. Stimmt: Bei der Lesung aus seinen Lebenserinnerungen „Hallo, Herr Kaiser. Das Leben ist Wilder als man denkt“ machte das Publikum die Bekanntschaft mit einem wahrhaft facettenreichen Menschen, der mit feinem Humor, gewürzt mit einer guten Prise Ironie, jede Menge zu erzählen hatte. Vorstellen darf man sich das als eine Mischung aus Erzählung, Schauspielerei, Multimedia und Musik. Der Mann hat auf alle Fälle Entertainer-Qualitäten.
„So eine Biografie zu schreiben, ist etwas sehr Persönliches“, resümierte Wilder, der auch in Hollywood reüssierte. „Man kehrt das Innere nach außen.“ Da sollte man seiner Meinung nach auch ehrlich sein. Während der Corona-Pandemie schaute der Schauspieler also „in den Rückspiegel“, wie er es formuliert, und schrieb in seinem Haus in Montana, wo er mit Frau Christine Mayn lebt, sein Leben auf.
Für den Bauernsohn, der auf der Insel Fehmarn groß geworden ist, war es gleichzeitig auch „ein sehr, sehr therapeutischer Prozess“, wie er erklärt. Da ist zum Beispiel das Thema Vater und Sohn, das ihn immer wieder beschäftigt. Ihm wollte es der Junge, der schon als Kind so gerne träumte, beweisen, wollte sein Lob, seine Anerkennung, was ihm lange Zeit verwehrt wurde. Das habe ihn angetrieben. „Ohne meinen Vater“, betont Nick Wilder, „hätte ich es nicht geschafft.“ Erst seine Rolle in der Serie „Die große Freiheit“ (1992) bringt ihm - wie der Titel des Films -, was er sich so erhofft hat: „Ich fühlte mich frei.“ Der Grund dafür: „Mein Vater sagte mir nach 40 Jahren, dass er stolz auf mich ist.“ Danach begegnen sie sich auf Augenhöhe. Doch näher kommen sie sich ihr Leben lang nicht. Für Nick heißt es ab dann: „Jetzt wollte ich mir´s selbst beweisen.“
Als weiteres Leitmotiv der Wilderschen Biografie dient dieser Satz: „Träume sind der Anfang jeder Wirklichkeit.“ An der Uni hat den Abschluss als Diplom-Holzwirt gemacht, holte sich als Jugendlicher mit seinen Kumpels den Titel der zweitbesten deutschen Schülerband, wird Weltmeister im Tandemwindsurfing, arbeitet als Geschäftsmann – und wandert nach Amerika aus, „seinem Land.“ Auch das eine Konstante in einem Leben, das stellenweise an einen Roman erinnert.
Sympathisch, witzig, auch mal zur Gitarre und Mundharmonika greifend, empathisch, als es einen ärztlichen Notfall im Publikum gibt: Der Bösewicht bei den Segeberger Karl-May-Festspielen ist bodenständig und locker im Umgang. Wilders Rat: „Das Wichtigste ist das kleine Kind in uns.“ Das gelte es, zu bewahren. Er jedenfalls habe noch genügend Träume.
Musikalische Lesung in Bad Segeberg: Standing Ovations für Karl-May-Star Nick Wilder
Am Kalkberg spielt er in diesem Jahr den Bösewicht, in der Kalkberg Oase zeigte Nick Wilder eine ganz andere Seite von sich. Er kehrte sein Innerstes nach außen und sprach über seine Vergangenheit. Im Publikum war auch ein besonderer Gast.
Von Petra Dreu
Bad Segeberg - Bei den Karl-May-Spielen ist der Schauspieler Nick Wilder derzeit als Bösewicht Emery Forster zu sehen, als Herr Kaiser wurde er zur Werbeikone für die Hamburg-Mannheimer-Versicherung, auch in den USA war er ein gefragter Mime. In der Kalkerg Oase zeigte er als Musiker und Autor ganz andere Seiten von sich: Er kehrte vor mehr als 200 Zuhörern sein Innerstes nach außen und begeisterte mit Emotionen sein Publikum, zu dem auch seine Schwester Helga van Harten aus Jersbek gehörte.
Den ganzen Artikel auf Lübecker Nachrichten lesen ...
AKTUELLE LESUNG ZUM NEUEN BUCH VON NICK WILDER UND RICHARD OPPER

“VATERLIEBE“
Die Geschichte beginnt – und endet – an einem Grab in Norddeutschland. Doch zwischen diesen Momenten liegt ein ganzes Leben.
Seit den frühen 1970er Jahren sucht Alex von Stein nach Antworten auf die Fragen, die seine Familie seit Generationen verdrängt hat. Seine Spurensuche führt ihn zurück in die 1930er Jahre – in das Denken eines Vaters, der einst die Uniform der SS trug – und weiter durch Jahrzehnte des Schweigens, der Schuld und der Suche nach Erlösung.
Von den stillen Dörfern Norddeutschlands über Israel bis in die Weiten Amerikas folgt Alex einem Weg, der ihn immer tiefer in ein Geflecht aus Wahrheit und Lüge, aus Liebe, Verlust und Verantwortung führt. Ein Weg, der ihn schließlich in ein Leben der Einsamkeit zwingt – getragen von einer Mission, die er niemandem anvertrauen kann.
Erst am Ende, wenn sich der Kreis schließt, öffnet sich eine Wahrheit, die alles zuvor Gesagte in Frage stellt. Was als Suche nach der Schuld des Vaters begann, führt in ein Schicksal, das sich als zutiefst jüdisch erweist und lässt uns zurück mit dem Gefühl, dass das Ende vielleicht erst der Anfang ist.
Nick Wilder und sein Co-Autor Richard Opper – Schriftsteller und Drehbuchautor – verweben in VATERLIEBE persönliche und historische Perspektiven zu einer Geschichte, die über Generationen und Kontinente reicht. Gemeinsam erzählen sie von den Schatten der Vergangenheit und den unausweichlichen Spuren, die Schuld, Identität und Liebe im Leben hinterlassen.
VATERLIEBE ist ein historischer Thriller – und mehr noch: Er ist eine Reise durch das moralische Erbe des 20. Jahrhunderts und ein Spiegel unserer Gegenwart. Hochaktuell!
Programmdauer: 60 - 90 Minuten (plus Pause)
Darsteller: Nick Wilder
VORWORT
Es gibt Geschichten, die man nicht freiwillig schreibt. Geschichten, die einen finden – langsam, unaufhaltsam – und irgendwann keine Ruhe mehr lassen.
VATERLIEBE ist eine solche Geschichte.
Ich bin auf einer Insel aufgewachsen. Fehmarn – ein Ort, den man mit Sonne, Wind und weitem Himmel verbindet.
Friedlich. Überschaubar.
Und doch spürte ich schon als Jugendlicher, dass unter dieser Oberfläche etwas lauerte. Ein Schweigen. Ein unausgesprochenes Geheimnis, das in jedem Haus, in jeder Familie hing wie ein unsichtbarer Schleier.
Mit fünfzehn überkam mich das Gefühl, dass in meiner Heimat etwas nicht stimmte. Man sprach nie über den Krieg. Nie über Schuld. Nie darüber, was die eigenen Eltern getan, gewusst oder verschwiegen hatten.
Es war, als wäre all das einfach ausgelöscht worden – wie eine Zeit, die es nie gegeben hatte. Aber sie hatte existiert. Und ihre Schatten fielen bis in meine Kindheit.
Ich fragte mich: Wie konnte es sein, dass alle unschuldig waren? Dass niemand etwas gewusst hatte?
Wer hatte dem Feuer, das so viel Leid über unser Land brachte, den Sauerstoff gegeben? Und wo stand mein Vater in diesem System?
Er war noch jung, kaum siebzehn, als er sich im Norden am Aufbau der SA beteiligte – in jenen Jahren, als die Bewegung auch auf dem Land Fuß zu fassen begann.
Davon sprach man nicht.
Meine Mutter – still, folgsam, gefangen zwischen Liebe, Angst und Abhängigkeit – schwieg ebenso. Und ich? Ich schwieg mit.
Aus Respekt vor meinem Vater.
Aus Unwissen.
Aus einem kindlichen Wunsch, zu glauben, dass alles gut war.
Erst viele Jahrzehnte später, im Jahr 2020, erfuhr ich zufällig, dass es auf unserer Insel einen jüdischen Friedhof gegeben hatte.
Niemand hatte uns je davon erzählt.
Nicht in der Schule, nicht im Geschichtsunterricht, nicht einmal im Flüsterton.
Man hatte uns im Dunkeln gelassen – vielleicht, weil die Wahrheit zu schmerzhaft gewesen wäre. Oder zu nah.
Ein auf unserer Insel angesehener Mann pflegte bei seinen touristischen Rundfahrten den Gästen zu sagen:
„Juden und Maulwürfe hat es auf Fehmarn nie gegeben.“
Letzteres mag stimmen. Ersteres ist eine Lüge. Eine bewusste, schändliche Lüge.
Und er wusste das. So wie mein Vater es wusste. So wie viele es wussten – und doch weiter Feste feierten, als wäre nichts gewesen.
Dieses Buch ist meine Antwort auf all das Schweigen. Eine Reise durch die Schatten der Vergangenheit – und zugleich eine Suche nach mir selbst.
Denn die Wunden, die eine Generation schlägt, heilen selten in derselben. Sie vererben sich – in Träumen, in Ängsten, in einem leisen Unbehagen, das man nicht benennen kann.
Ich schreibe nicht, um anzuklagen.
Ich schreibe, um zu verstehen.
Weil ich glaube, dass Verstehen die höchste Form der Liebe ist – auch, wenn sie weh tut.
Doch so sehr VATERLIEBE in der Realität wurzelt, so sehr ist es auch Fiktion.
Ein Roman, inspiriert von wahren Begebenheiten, echten Menschen, überlieferten Schicksalen – aber eben doch ein Roman.
Viele der Ereignisse, besonders jene aus den Jahren 1930 bis 1945 und der Zeit danach, beruhen auf tatsächlichen Geschehnissen.
Die fiktionalen Passagen hingegen orientieren sich eng an historischen Abläufen, Orten und Figuren. Gerade dadurch verschwimmen die Grenzen zwischen Wahrheit und Erfindung.
Was dokumentiert ist, was erdacht wurde – beides greift ineinander, stützt sich gegenseitig, wird eins.
Und so wird es für den Leser mitunter schwer zu erkennen, wo die Wirklichkeit endet und die Fiktion beginnt.
Doch vielleicht liegt genau darin die Kraft dieser Geschichte – dass sie so nah an der Wahrheit bleibt, dass man sie nicht mehr trennen kann.
Prolog
Kleinhagen, Schleswig-Holstein – Oktober 2001
Der Morgen war grau, durchdrungen von einer Kälte, die einem bis in die Knochen kroch. Ein stürmischer Westwind fegte über die flache norddeutsche Landschaft, im Gepäck die salzige Luft der nahen Nordsee, bürstete die Felle der weidenden Holsteiner-Kühe, pfiff durch Baumgruppen, weiter über die penibel gepflegten Dorfstraßen und legte sich dann wie ein feuchtkalter Mantel um die Trauergemeinde auf dem Friedhof, die jetzt noch enger zusammenrückte, um der Kälte zu trotzen.
Alex von Stein stand abseits, in einen dunklen Mantel gehüllt, die Basecap tief ins Gesicht gezogen.
Neunundvierzig Jahre alt. Fast fünfzig.
Und doch fühlte er sich in diesem Moment wie ein kleiner Junge. Verloren. Erschöpft. Vom lebenslangen Versuch, aus dem Schatten jenes Mannes herauszutreten, der gleich unter dieser kalten Erde liegen wird.
Das Leben hatte seine Spuren hinterlassen: Falten dort, wo einst ein Lächeln war, Müdigkeit in jenen blauen Augen, die früher voller Energie gestrahlt hatten.
Kein Held. Kein gebrochener Mann. Nur ein Sohn, der Abschied nahm – von einem Vater, dessen Liebe und Anerkennung ihm nie zuteilgeworden waren.
Aber etwas an dieser Beerdigung ließ ihn frösteln – und es war nicht die Kälte.
Er spürte eine Unruhe, die sich nicht benennen ließ, ein diffuses Misstrauen, das sich mit jedem Wort des Pastors verstärkte.
Die Nachricht über den Tod seines Vaters war bruchstückhaft gewesen, widersprüchlich, zu viele Lücken, zu viele offene Fragen.
Er nahm jedes Gesicht wahr, jede Bewegung, jedes kaum merkliche Nicken – und doch: Etwas stimmte hier nicht. Je länger er zusah, desto stärker wurde das Gefühl: Hier wird mehr begraben, als nur ein Mensch.
Er war nicht hergekommen, um zu trauern. Mit seinem Vater war er längst fertig.
Nein – etwas hatte ihn hierhergezogen. Etwas, das er nicht greifen konnte.
Er suchte Antworten.
Die Wahrheit.
Die ganze Wahrheit.
Die Zahl der Trauergäste überraschte ihn. Eine Gruppe älterer Männer, alle in Schwarz, gekommen, um Leopold von Stein – seinem Vater – die letzte Ehre zu erweisen. Die Zeit mochte vergangen sein, doch Alex erkannte ihre Gesichter sofort. Es waren die alten Kameraden – Veteranen, Getreue, Männer, die ihrem „Führer“ von einst nie wirklich untreu geworden waren. Es wunderte ihn dagegen nicht, dass nur wenige aus den umliegenden Dörfern gekommen waren – und fast niemand aus der nahen Stadt Tönning. Leopold von Stein hatte in dieser Region seine Spuren hinterlassen. Jahrzehntelang hatte er den Gemeinderat dominiert; sein Wort wog schwerer als jedes andere. Er wusste, wie man Einfluss sichert – mit Worten, Gesten und stillem Druck. Und nun, da er tot war, war sich Alex sicher: Viele atmeten heimlich auf.
Vier von den schwarz gekleideten alten Männern traten mit beinahe militärischer Präzision vor, um einen großen Kranz niederzulegen. Sie standen so dicht beieinander, als würden sie ein Geheimnis bewachen, das keiner von ihnen laut auszusprechen wagte. Dann trat einer von ihnen hervor. Groß – fast ein Meter neunzig – mit einer tiefen Narbe, die sich schräg über seine rechte Wange zog. Ein Gesicht wie eine zerbrochene Maske. Alex erinnerte sich gut an ihn. Schon als Kind hatte er Angst vor diesem Mann gehabt.
Mit pedantischer Genauigkeit richtete der Mann die Kranzschleifen, bis sie perfekt parallel lagen. Alex brauchte sie nicht zu lesen, um zu wissen, was darauf stand: der Name seines Vaters – und dessen Einheit: „6. SS-Gebirgs-Division Nord.“
Pastor Kollmer trat vor, den Blick gesenkt, die Stimme leise, beinahe schüchtern. Seine Augen glitten kurz über die Männer, die reglos neben dem Kranz standen.
Alex kannte sie. Er kannte ihre Gesichter, ihre Haltung, dieses Schweigen, das mehr verriet als Worte. Männer, die nie ganz losgelassen hatten, die ihre Kameradschaft über Jahrzehnte bewahrt hatten – schweigend, treu, in sich verschlossen. Alex wusste, was unter ihren Ärmeln verborgen lag: die blassblauen Tätowierungen – Blutgruppenzeichen, das stumme Erkennungszeichen der Waffen-SS. Kleine Buchstaben, die mehr sagten als jedes gesprochene Wort. Und er fragte sich, wie viele von ihnen wohl noch immer die alten Lieder sangen – heimlich, hinter verschlossenen Türen. Lieder, laut und pathetisch, durchtränkt von einer rauen Männlichkeit, getränkt in einer Vergangenheit, die nicht sterben wollte.
Sein Bruder Hans, zehn Jahre älter, hatte diese Männer auf dem Hof oft mit seinem Akkordeon begleitet – eifrig, mit leuchtenden Augen, als könne ihm jede gespielte Note die Liebe des Vaters einbringen oder wenigstens den Respekt dieser Männer.
Ein Lied kann ein Schlachtfeld sein. Eine Strophe, eine Waffe. Und eine Melodie – der Anfang von allem. Denn wer singt, gehört dazu. Wer mitsingt, bekennt sich. Und wer schweigt, wird mitschuldig.
Ihre Gesichter waren gealtert – doch es waren dieselben Männer. In ihren Augen lag ein stummes Einverständnis. Ihre Anwesenheit am Grab fühlte sich an wie ein Eid – ein unausgesprochenes Versprechen, das Leopold von Stein einst von ihnen gefordert hatte. Und die Sargträger? The next generation, bereit, ein Vermächtnis anzunehmen – mit demselben giftigen Refrain in ihren Herzen.
Deutschland – ein freies Land, sagte man.
Die sechs jungen Sargträger, die Köpfe kahl rasiert, die Kiefer angespannt, die Sakkos bis obenhin zugeknöpft, wussten genau, wie man auf diesem schmalen Grat balanciert. Alte Ideen in Anzügen - in einer demokratischen Gesellschaft, die glaubte, aus der Geschichte gelernt zu haben.
Sie brauchten heute keine Fackeln mehr – jene brennenden Symbole, die einst von maskierten Gestalten auf dunklen amerikanischen Landstraßen getragen worden waren. Symbole der Reinheit. Des Hasses. Der Angst. Dieses Feuer hatte damals den Atlantik überquert – und auch auf deutschem Boden gebrannt. In Amerika hatte man diesem Wahnsinn schließlich Einhalt geboten, doch in Deutschland fand es den nötigen Sauerstoff, um sich auszubreiten – rasch, gierig, unaufhaltsam.
Der Pastor sprach, aber Alex hörte kaum noch. Seine Gedanken glitten fort.
Wie damals, dachte er, nur anders gekleidet. Heute tragen sie schwarze Kapuzenpullis statt Uniformen. Ihre Gesichter vermummt, die Fahnen schwarz-weiß-rot. Altdeutsche Schriftzüge prangen auf Bannern, Runen, Keltenkreuze, Zahlen – kryptische Zeichen, die dieselbe Botschaft tragen wie einst. Mit Megaphonen ziehen sie durch die Straßen wie eine Wand. Lauter, aggressiver, dreister. Ein Aufmarsch für die Kameras, für die Schlagzeilen von morgen. Geschickt verhüllt in Worte wie „Identität“, „Tradition“ und „Patriotismus“. Und damit marschierten sie nun unter dem Banner der Meinungsfreiheit – und missbrauchen die Demokratie als Deckmantel für ihre Dunkelheit. Und wieder schaut die Mehrheit schweigend zu.
Alex hatte diese Veränderung schon lange gespürt. Den leisen Applaus unter der Oberfläche. Und er wusste: Es würde nicht mit einem Knall beginnen. Es würde in aller Stille beginnen – hinter dem dünnen Vorhang einer Wahlkabine, unbeobachtet von Nachbarn und Freunden. Dort, wo niemand sah, wohin die Hand sich bewegte. Dort begann sie – die schleichende Unterwanderung einer Gesellschaft, die glaubte, unverwundbar zu sein ...
PROGRAMME MIT MUSIK
“DAS LEBEN IST WILDER ALS MAN DENKT“
Nick Wilder erzählt aus seinem Leben, das wahrlich „wilder“ war und ist als man denkt.
Der Sohn eines Bauern von der Ostseeinsel Fehmarn kann auf ein turbulentes Leben zurückblicken. Surfweltmeister, Diplomholzwirt, Surfshopbesitzer in Dänemark und in Florida, Darsteller in Roland Emmerichs Stargate, vierzehn Jahre als Werbe-Ikone Herr Kaiser,
zehn Jahre Doc Sander auf dem Traumschiff und viele weitere Rollen in Deutschland, Dänemark und in den USA.
Er erzählt seine Geschichte, die des kleinen Bauernsohnes Klaus Wilder, dem es gelang, seine Träume immer wieder zu verwirklichen und seine Unabhängigkeit zu finden und dadurch frei zu werden. Die emotionale Verstrickung des Vaters im NS-Regime war zu Hause immer ein Thema. Wilder schaffte es aber, den Vater-Sohn-Konflikt aufzuarbeiten und letztendlich zu lösen. Ihm wurde klar, dass ein Erinnern an das Kind in uns ein Schlüssel ist, um innere Stabilität zu erreichen.
Nick Wilder ist es ein Anliegen, der Nachkriegsgeneration diese Stabilität zu geben, die „Schuld-besetzte-Vergangenheit“ unserer Väter aufzuarbeiten und ein kritisches, politisches Bewusstsein zu entwickeln, um unsere Bedürfnisse von Schutz, Geborgenheit und inneren Frieden zu finden.
Ein sehr emotionaler Abend, untermalt mit musikalischen Darbietungen auf seiner Gitarre und Mundharmonika.
Programmdauer: 120 Minuten (plus Pause) (gekürzte Version auf Anfrage)
Musikalische Begleitung: mit Gitarre und Mundharmonika
Darsteller: Nick Wilder
Youtube-Link zum Promo-Video der Lesung.
Video-Link auf Promotion-Seite

© Schneiderpress
„ALTE LIEBE“
Alte Liebe rostet nicht. Aber die Zeit ist an Lore und Harry nach 40 Jahren Ehe nicht spurlos vorbeigegangen. Die leidenschaftliche Lore hat Angst, bald mit dem frisch pensionierten Harry untätig im Garten zu sitzen. Nur in einem sind sich die Alt-Achtundsechziger einig: Ihre Tochter Gloria hat alles nur Mögliche im Leben falsch gemacht! Nun will Gloria in dritter Ehe einen steinreichen Industriellen heiraten, der auch noch ihr Vater sein könnte. Wie konnte es so weit kommen?
Elke Heidenreich und Bernd Schroeder erzählen in umwerfenden Dialogen die Geschichte eines Ehepaars, in der sich eine ganze Generation wiedererkennen kann. Komischer sind die Szenen einer Ehe noch nicht erzählt worden.
Eine Geschichte, die berührt, unterhält und zum Nachdenken anregt. Gelesen und gespielt von Nick Wilder und seiner Ehefrau Christine Mayn.
Programmdauer: 60-90 Minuten (mit Pause, nach Absprache)
Darsteller: Nick Wilder und Christine Mayn
Christine Mayn wurde 1962 in Südtirol geboren. Schon als 14-jährige stand sie das erste Mal in ihrer Heimat Südtirol auf der Bühne. Ihre Schauspielausbildung absolvierte sie in Innsbruck. Sie spielte auf verschiedenen deutschsprachigen Bühnen wie z. B. in Salzburg, Innsbruck, München und Wien. Zweisprachig aufgewachsen in Südtirol spricht sie Italienisch und Deutsch. Sie spielte ebenso auf Bühnen in Genua, Florenz, Ravenna und Bozen. Später wechselte sie auch in die TV-Branche über. Sie wirkte in TV-Produktionen wie z. B. Das ewige Lied oder Die verkaufte Heimat mit. Sie hatte ihre eigenen TV-Serien Die Stadtklinik und Fieber und spielte außerdem in vielen deutschen TV-Serien und Filmen mit, u. a. Medicopter 117, Unser Charly, Wilder Kaiser, Rosamunde Pilcher und Das Traumschiff. Seit 2000 lebt sie mit ihrem Mann, dem Schauspieler Nick Wilder, in Bozen und Montana (USA) und hat zwei Staatsbürgerschaften.